Bundestag bestätigt CETA und lädt ein zu Klagen gegen Arbeitsrecht und Umweltschutz

Alle Macht den Konzernen

Seit Jahren kämpfen Gewerkschaften, Sozialverbände und Umweltorganisationen gegen das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada. Das Abkommen trat im Jahr 2017 vorläufig in Kraft, kann aber erst vollständig angewendet werden, wenn es von allen EU-Staaten ratifiziert ist. Das breite Bündnis, das die Bestätigung des Vertrages verhindern wollte, brachte zu Spitzenzeiten mehr als 300.000 Menschen auf die Straße. Die Grünen inszenierten sich dabei stets als parlamentarischer Arm der Widerstandsbewegung. Noch im Bundestagswahlprogramm 2021 hieß es: „Das CETA-Abkommen werden wir (…) in seiner jetzigen Fassung nicht ratifizieren.“ Am vergangenen Donnerstag wurde CETA im Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Koalition und der CDU ratifiziert.

Die Grüne-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge freute sich in der Sitzung über ein „neues Kapitel der Handelspolitik“, das „Nachhaltigkeit und Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt“. Das könnte von der Wahrheit kaum weiter entfernt sein. Denn das Abkommen mit Kanada bietet keine wirksamen Umweltschutzverpflichtungen oder Sozialstandards. „Während es den Handel mit fossilen Energien schützt, sind für Nachhaltigkeitsziele wie die Pariser Klimaziele oder die ILO-Kernarbeitsnormen keine sanktionsbewehrten Durchsetzungsmechanismen vorhanden“, warnt Uwe Hiksch vom Verband der Naturfreunde Deutschland. Zugleich werde der Weg geebnet für „exklusive Klagerechte ausländischer Investoren vor einer Paralleljustiz“.

Der sogenannte „Investitionsschutz“ ermöglicht es privaten Konzernen, gegen Gesetze und staatliche Entscheidungen zu klagen, wenn diese ihre Profite gefährden. Darunter können zum Beispiel Bestimmungen des Arbeitsrechtes oder des Umwelt- und Verbraucherschutzes fallen. Ausgetragen werden diese Verfahren vor geheim tagenden, privatisierten Schiedsgerichten. Davon profitieren nach vollständiger Ratifizierung des Abkommens nicht nur kanadische Firmen, sondern auch US-Unternehmen mit Sitz in Kanada. Als besonders klagefreudig gelten Fossile-Energie-Konzerne. Das Umweltinstitut München rechnet damit, dass weltweit rund 340 Milliarden US-Dollar vor privaten Schiedsgerichten eingeklagt werden könnten, wenn die Regierungen Klimaschutzmaßnahmen im Sinne des 1,5-Grad-Ziels erlassen würden.

Erfahrungen mit solchen Verfahren gibt es bereits. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall klagte nach dem beschlossenen Atomausstieg gegen die Bundesrepublik und wurde mit 1,4 Milliarden Euro entschädigt. Grundlage des Prozesses waren die Investitionsschutzregelungen des Energiecharta-Vertrags. Diesen Vertrag kündigt die Bundesregierung nun auf, weil er ein „Hindernis für die Energiewende“ sei, wie Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) erklärte. Die Grünen hatten auf den Ausstieg gedrängt und ihre CETA-Zustimmung davon abhängig gemacht. Das klingt nach einem unspektakulären Handel: Ein undemokratisches Abkommen wird gegen ein anderes ausgetauscht. Doch auf das Kleingedruckte kommt es an. Die Ausstiegsfrist aus der Energiecharta beträgt 20 Jahre. Für den Zeitraum, der für die Einhaltung der Klimaschutzziele entscheidend ist, werden die Klagemöglichkeiten also dank des CETA-Einstiegs deutlich ausgeweitet, während die alten Schiedsgerichte erhalten bleiben. Der groß verkündete Ausstieg aus der Energiecharta ist nur eine Beruhigungspille für die grüne Basis.

CETA führt nicht nur zu einer Paralleljustiz und zu Einschränkungen im Verbraucherschutz. Es geht auch mit Liberalisierungszwängen einher, die zur Privatisierung von Teilen der öffentlichen Daseinsvorsorge führen können. Zudem sollen geheim tagende „CETA-Ausschüsse“ eingesetzt werden, um ohne demokratische Legitimation über wichtige Regulierungen und Handelsbestimmungen zu entscheiden. Für die hiesige Politik hat das Abkommen Vorbildcharakter. Derzeit bereitet Berlin einen neuen Anlauf für einen Vertrag mit den USA vor, um das gescheiterte TTIP zu ersetzen. Dahinter stecken weder Klimaschutzüberlegungen noch der Wunsch nach mehr „Fairness“ in der Handelspolitik. Die Bundesregierung kettet sich und ihre Nachfolger an das gemeinschaftliche Diktat des westlichen Kapitals, um Russland auszubooten und für die kommenden Handels- und Wirtschaftskriege mit China zu rüsten.

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"Alle Macht den Konzernen", UZ vom 9. Dezember 2022



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